Die Verleihung der Kulturpreise 2020 der Verbandsgemeinde Wörrstadt fand am vergangenen Freitag einzeln und in kleinstem Rahmen statt, nachdem Corona-bedingt zwei Anläufe gescheitert waren, die Preise in einer großen und feierlichen Veranstaltung zu übergeben.
Bürgermeister Markus Conrad begrüßte Professor Eberhard Linke, dessen Begleitung Carmen Stahlschmidt und Karl-Heinz Greb, als Kaufmännischer Leiter des Energie- und Servicebetrieb Wörrstadt der Vertreter des Sponsors: „Ich freue mich sehr, dass wir heute erstmals den Kultur-Sonderpreis übergeben dürfen. Mit ihm zeichnet die Verbandsgemeinde Kulturschaffende bzw. Kulturanbieter für ihre herausragende und langjährige künstlerische Tätigkeit aus. Mit Ihnen, Herr Professor Linke, hat die Jury einen äußerst würdigen Preisträger gewählt.“
In ihrer Laudatio schilderte Jury-Mitglied Anita Pleic (vertreten durch Bürgermeister Conrad) gleich zu Beginn ihren eigenen Bezug zum Schaffen Professor Linkes:
„Kinder in Saulheim lernen Eberhard Linke spätestens bei ihrer Einschulung kennen. Nicht ihn persönlich, aber eines seiner Kunstwerke. Ein bespielbares dazu. Die Zitrone kennt jedes Saulheimer Kind. Und so auch ich. Denn auch ich habe als Grundschulkind in der von Eberhard Linke geschaffenen Skulptur gespielt. Heute stehe ich hier und halte eine Laudatio auf einen Mann, dessen Kunst ich schon ganz früh in meinem Leben kennenlernen durfte und der mir in Saulheim noch an vielen weiteren Orten begegnet ist.
Professor Eberhard Linke – eine äußerst vielseitige Persönlichkeit. Wo also anfangen? Vielleicht beim Menschen Eberhard Linke und seiner Vita.
Eberhard Linke wurde 1937 in Lauban in Schlesien (heute Polen) geboren. Nach dem Abitur in Salzgitter studierte er Philologie an der Universität Göttingen, was ihm aber offensichtlich keine Erfüllung brachte, denn schon nach einem Semester sagte er der Philologie ade und ging nach Stuttgart an die Freie Kunstschule. Seinen Lebensunterhalt verdiente er damals als Autowäscher und als Garten- und Landschaftsgestalter. Er studierte Kunsterziehung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Seine Lehrer waren Gerhard Gollwitzer und Otto Baum. Nach einigen Jahren als freier Bildhauer im Meisterschüler-Atelier von Otto Baum und Wissenschaftlicher Angestellter in der Fakultät Architektur der TU Braunschweig ging er nach Mainz und war dort von 1974 bis 2002 Professor an der Fachhochschule im Bereich Innenarchitektur und Architektur.
1972 bis 1974 baute er ein Gehöft in Saulheim zu seinem Atelier um. 1982 kam ein größeres Atelier in Flonheim hinzu. Beide Anwesen zeugen mit den dort auf Schritt und Tritt anzutreffenden, in den Scheunen lagernden und den Atelierräumen im Werden begriffenen Skulpturen von seinem überaus reichen Schaffen, das weit über die Grenzen der Verbandsgemeinde und Rheinhessens bekannt ist.
1964 heiratete er die Keramikerin Barbara Hesselbach. Aus der Ehe ist ein Sohn hervorgegangen. 2009 gründete der Künstler gemeinsam mit seiner Frau die „Eberhard und Barbara Linke Stiftung“ mit Sitz in Flonheim. Zweck der Stiftung ist die Pflege und die öffentliche Präsentation des künstlerischen Werks von Eberhard Linke. Gleichzeitig fördert die Stiftung auch jüngere bildende Künstlerinnen und Künstler und bietet im Anwesen der Stiftung in Flonheim Arbeitsaufenthalte und Kurse für den Hohlaufbau von Terrakotta-Plastiken an. Im Atelier finden zudem regelmäßig Konzerte, Lesungen, Filmvorführungen und Vorträge statt sowie Seminare zum Thema “Kunst und Politik” in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz.
2016 machte Eberhard Linke seiner Wahl-Heimat Rheinhessen ein ganz besonderes Geschenk zu deren 200. Geburtstag. Unter dem Motto „Rheinhessen ein Gesicht geben“ gestaltete er lebensgroße Porträtbüsten historischer Persönlichkeiten aus Rheinhessen aus der Zeit von 1790 bis 1848. Eine Liebeserklärung in Skulpturen.
Eberhard Linke wurde für sein Schaffen vielfach ausgezeichnet. So erhielt er unter anderem den Staatspreis Rheinland-Pfalz für Kunst und Architektur, den Kunstpreis Rheinland und den Hakone Award der 2. Internationalen „Rodin Grand Prize Exhibition 1988“. 2017 überreichte ihm Kulturminister Konrad Wolf die Max-Slevogt-Medaille für seine besonderen Verdienste auf dem Gebiet der Bildenden Kunst in Rheinland-Pfalz. Wolf sagte damals in seiner Laudatio: „Das künstlerische Gesamtwerk von Eberhard Linke ist eine Hommage an das Material Ton. Er gehört zu den wenigen Tonbildhauern, die die Hohlaufbauweise meisterlich beherrschen und mit diesem fragilen Material auch Plastiken in beachtlicher Größe erschaffen hat.“
Linkes Werke begegnen den Rheinland-Pfälzern in vielen Städten im öffentlichen Raum, zieren Plätze und Gebäude. Darüber hinaus sind seine Schöpfungen in der ganzen Republik und im Ausland zu sehen. So ging im August vergangenen Jahres eine Terrakotta-Nachbildung der Bronzeskulptur „Landschaft mit totem Sänger“ auf die Reise nach Chile. Sie ist ein Geschenk Eberhard Linkes an die Victor-Jara-Stiftung in Santiago de Chile. Der Flonheimner hatte das Original im Jahr 1970 zu Ehren des während des Militärputsches ermordeten chilenischen Musikers Victor Jara gestaltet.
Der Künstler Linke ist ein kritischer Geist und politisch denkender Mensch, den Schicksale wie das Viktor Jaras zur künstlerischen Auseinandersetzung antreiben. So wie er sich auch mit seinem eigenen Schicksal künstlerisch auseinandergesetzt hat. Seit einem Unfall im Juli 2014 ist der heute 84-Jährige querschnittsgelähmt. Darauf reflektierend entstanden Plastiken wie die Wirbelsäule auf zwei Rädern oder eine Figur, die im Rollstuhl sitzt.
Heute nun steht eine weitere Preisverleihung an. Der Kultur-Sonderpreis der Verbandsgemeinde Wörrstadt. Er geht an einen der kreativsten Einwohner der VG. An einen Künstler, der die Herzen und Gedanken der Menschen bewegt. An einen Weitgereisten, dem Rheinhessen zur Heimat geworden ist. Der selbst zu einem Rheinhessen geworden ist.
Bürgermeister Markus Conrad beglückwünschte Professor Linke, Karl-Heinz Greb überreichte die Skulptur des Kultur-Sonderpreises, die mit einem Preisgeld von 1.000 Euro verbunden ist. Greb: „Wir freuen uns sehr, mit Ihnen einen wirklich herausragenden bildenden Künstler unserer Verbandsgemeinde für sein großartiges Schaffen auszeichnen zu dürfen.“ So hatte Professor Linke gerade erst 2020 zusammen mit Carmen Stahlschmitt und Susan Geel eine Nachbildung des „trunkenen Schmieds“ geschaffen, der nun den Schmiedbrunnen in der Wörrstädter Friedrich-Ebert-Straße wieder vervollständigt.