Geschichte des Feuerlöschwesens in der Vg wörrstadt
Teil 1 Feuerwehrlöschwesen "20 Jahre Verbandsgemeinde 1972 - 1992" von Gerd Jung (ehemaliger Abteilungsleiter Schutz und Ordnung) im folgenden:
In den Ortsgeschichten unserer verbandsangehörigen Gemeinden finden sich zahlreiche Aufzeichnungen über Feuersbrünste, seien es in Friedens- oder Kriegszeiten. Schon die leichte Bauart der Häuser - Fachwerkbauten mit Strohbedeckung, enge winklige Straßen, mangelhafte Einrichtungen von Feuerstellen - waren zwingender Anlass, dem Feuerlöschwesen die größte Aufmerksamkeit entgegen zu bringen.
Bereits 1754 finden wir in einer Landesverordnung der Rheingrafen eine Bestimmung, wonach es verboten war, von einem Haus zum anderen Feuer oder brennende Kohle zu tragen bzw. auf der Straße Zigaretten oder Pfeife zu rauchen.
Brandschutz als Gemeinschaftsaufgabe
Feuerwehr im Aufbau
Gleichschaltung der Feuerwehr
Feuerwehr im Wandel
Verbandsgemeinde wird Träger der Feuerwehr
Stützpunktfeuerwehr in der Verbandsgemeinde
Die Jugendfeuerwehr
Fazit
Ausblick
Welcher Art die Feuerlöscheinrichtungen der frühesten Zeit im Gebiet der heutigen Verbandsgemeinde waren, darüber fehlen uns schriftliche Nachweise. Der am weitest zurückgehende Nachweis ist der sogenannte Türmereid aus dem 15. Jahrhundert. Nach diesem Wortlaut war der Türmer verpflichtet, alle Stunde bei Tag und Nacht nach vier Seiten Umschau zu halten, um bei Tag dem Torwächter die Annäherung bewaffneter Haufen durch Zuruf anzuzeigen, damit er das Tor schließen konnte, und um bei Nacht die Stunden anzublasen und "wenn Feuer ausgeht, zu klenken“ (Alarm zu schlagen). Tore, Türme, Wehrmauern, Schutzwälle gab es u.a. in Armsheim, Partenheim, Saulheim, Schornsheim und Wörrstadt.
Noch 1657 mussten die Ortsherren in den Dörfern der heutigen Verbandsgemeinde gegen die gefährlichen Feuerungsanlagen in den meisten bewohnten Häusern einschreiten, weil viele Wohngebäude ohne Schornsteine waren oder manche nur Abzugsanlagen aus Holz besaßen. Die Armut der Einwohner war damals so groß, dass man nicht einmal die allernötigsten Löschgeräte hatte anschaffen können. 1737 wurden zunächst die ersten ledernen Feuereimer bei der Sattlereizunft zum Preis von 1 Gulden und 30 Kreuzer in Auftrag gegeben. 1741 kam der Spritzenmacher G. Bach von Hungen bei Frankfurt nach Wörrstadt und stellte auf dem Marktplatz eine Feuerspritze aus, die dem Gemeinderat vorgeführt wurde. Wegen mangelnder Finanzen konnte jedoch zum damaligen Zeitpunkt keine Feuerspritze angeschafft werden, so dass der lederne Feuereimer einziges Brandbekämpfungsmittel blieb. 1758 erließ der Rheingraf Grumbach eine Feuerordnung, wonach jeder, der Bürger einer Gemeinde oder Stadt werden wollte, einen Feuereimer und eine Gebühr (Feuerschutzsteuer) zu zahlen hatte. Auch jeder "frisch gebackene" Ehemann hatte einen Feuereimer zu stellen.
Die Administration der napoleonischen Herrschaft, ab 1794 im Kanton Wörrstadt, war nicht in der Lage, den Brandschutz in einen akzeptablen Stand zu bringen, denn Abgaben und Steuern jeglicher Art zur Finanzierung von Napoleons Eroberungskriegen ließen die Bereitstellung der Mittel nicht zu. Auch die Pflichtabgabe von Feuereimergeldern und die Feuereimerbereitstellung praktizierte man wie „in alten Zeiten."
Dies bestätigte auch ein Besichtigungsprotokoll der großherzoglichen Regierungskommission von 1818 (das heutige Rheinhessen wurde 1815 dem Großherzogtum Hessen angegliedert), wonach sich der Zustand der „Lösch-Anstalten" im "Canton Werrstadt" in einem traurigen Zustand befindet. Die hessische Regierung in Darmstadt beschloss daraufhin, Feuerspritzen für den Kanton Wörrstadt anzuschaffen und in folgenden "Communen" (Gemeinden) zu stationieren: „Werrstadt, Nieder-Saulheim mit Ober-Saulheim, Undenheim, Wallertheim mit Niederweinheim (heute Gau-Weinheim), Armsheim mit Eichloch (heute Rommersheim) und Schimsheim sowie Ober-Hilbersheim". Unter der Verwaltung des Großherzogtums Hessen wurden die Gemeinden nach und nach mit Feuerleitern, Feuerhaken sowie anderem Löschgerät ausgestattet, so dass mit der Aufstellung sogenannter „Feuer-Companien" (Pflichtfeuerwehren) um 1820 die Bemühungen des Großherzogtums zur Gewährleistung eines sicheren Brandschutzes zunächst ihren Abschluss fanden.
Nach dem „Gesetz, die Landesfeuerlöschordnung betreffend, vom 29. März 1890", waren die freiwilligen Feuerwehren im Großherzogtum Hessen Bestandteil der öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde, die auch die Kosten für die Ausstattung und Unterhaltung der Feuerwehr zu tragen hatte.
Die Wahl des Kommandanten unterlag in den Landgemeinden der Bestätigung des Kreisamtes. Durch die fortschreitende technische Entwicklung konnte auch die Feuerwehrausrüstung verbessert werden, so dass Ende der 20er Jahre unseres Jahrhunderts neue Gerätschaften die seitherigen Handdruckspritzen ablösten und den Feuerwehreinsatz stark veränderten. Die Feuerwehren erhielten die ersten Tragkraftspritzen, Schlauchwagen, Schlauchhaspeln und Armaturen.
Mit der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 wurde auch die traditionelle demokratische Selbstverwaltung der freiwilligen Feuerwehr erheblich beeinträchtigt. 1938 erfolgte die Unterstellung der Feuerwehr als „technische Hilfspolizeitruppe" in den Bereich der Polizei, als „Feuerlöschpolizei". Ein endgültiges Gesetz über das Feuerlöschwesen vom 23.11.1939 brachte die totale Einheitlichkeit in Ausbildung, Ausrüstung und Verhältnis zur Polizei sowie anderen Luftschutzverbänden. Die Zahl der Feuerlöschgeräte wurde im Jahre 1940 durch Löschfahrzeuge erhöht, um bei Luftangriffen ausreichende Löschhilfe leisten zu können. Die Aufgaben, die alle Wehren im 2. Weltkrieg, insbesondere ab 1944, zu leisten hatten, waren ungeheuerlich. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die Fülle der Einsätze, insbesondere bei den vielen Brandeinsätzen in den Städten Bingen und Mainz während des Krieges zu schildern; sie würden alleine ein ganzes Buch für sich beanspruchen. Nach der Kapitulation wurde unverzüglich mit dem Wiederaufbau begonnen, wenn auch zunächst nur mit improvisiertem Dienst. 1949 wurde das Feuerlöschwesen in Rheinland-Pfalz neu geordnet. Die "alte Freiwillige Feuerwehr" durfte wieder ihren Dienst aufnehmen.
In den 50er Jahren endete die Phase der Stagnation. 1952 formierten sich die Feuerwehren in der heutigen Verbandsgemeinde neu. Junge Männer im Durchschnittsalter von 25 Jahren bildeten nunmehr den Stamm der Feuerwehrmannschaften. Durch Beschaffungsaktionen des Landes Rheinland-Pfalz wurden die alten Pumpen durch neue TS 8/8 und Tragkraftspritzenanhänger mit feuerwehrtechnischer Beladung für jede Feuerwehreinheit ersetzt. Das Zeitalter der Motorisierung begann.
In den vergangenen 25 Jahren nach Kriegsende hat sich im Feuerlöschwesen ein Wandel vollzogen:Das Aufgabengebiet hat sich erweitert, neue Einsatzmittel mussten entworfen und konstruiert werden, neue Nachrichtenmittel sind in den Einsatz gekommen, Entwicklungen, die auch die ländlichen Feuerwehren durchlebten.
Durch den stetig anwachsenden Straßenverkehr in den 60er und 70er Jahren nahmen auch die Verkehrsunfälle zu. Die Feuerwehr und Sanitätsorganisationen waren als Hilfeleistungsorganisationen gefordert, sich auf die neue Lage einzustellen. Einsatztaktische und verwaltungstechnische Gründe sowie die Bildung der Verbandsgemeinde im Zuge der Gebiets- und Verwaltungsreform veranlassten das Land Rheinland-Pfalz, den Bereich Brandschutz und Technische Hilfe ab 01.01.1975 den Verbandsgemeinden zu übertragen.
Das "Landesgesetz Rheinland-Pfalz über das Brandschutzwesen" von 1949 regelte als reines Brandschutzgesetz den abwehrenden Brandschutz. Die 70er Jahre brachten nicht nur eine Erweiterung des Aufgabenbereiches Feuerwehr, sondern auch die Gebiets- und Verwaltungsreform. Mit Übergang des Brandschutzes im Jahr 1975 auf die Verbandsgemeinde erhielt die Freiwillige Feuerwehr Wörrstadt seitens der Kreisverwaltung Alzey-Worms die Funktion einer Stützpunktfeuerwehr des Landkreises Alzey-Worms zugewiesen. Im Rahmen ihrer überörtlichen Funktion als Stützpunktfeuerwehr nimmt die Feuerwehr Wörrstadt insbesondere auch Aufgaben der technischen Unfallhilfe auf den Autobahnabschnitten der BAB A 63 Wörrstadt - Alzey und Wörrstadt - Nieder-Olm wahr.
1985 vollzog sich auf Verbandsgemeindeebene ein "Wachwechsel": Zum neuen Bürgermeister wurde der seitherige 1. hauptamtliche Beigeordnete Karl Heinz Pühler gewählt. Auch er setzte sich wie sein Vorgänger für die Belange des Feuerlöschwesens in der Verbandsgemeinde ein und führte die geplanten Maßnahmen fort bzw. stattete die Feuerwehren weiterhin mit Fahrzeugen, Gerätschaften - insbesondere schwerem Atemschutzgerät - und optimalen Unterkünften aus.
So erhielten die Wehren in den Gemeinden Armsheim, Ensheim, Schornsheim, Sulzheim und Wörrstadt neue Feuerwehrgerätehäuser, ausgestattet mit den notwendigen Sozial- und Unterrichtsräumen. Heute verfügen bis auf drei kleinere Löscheinheiten sämtliche Feuerwehren in der Verbandsgemeinde Wörrstadt über umluftunabhängige Atemschutzgeräte. Die Ausstattung der Wehren mit schwerem Atemschutzgerät war zum Gesundheitsschutz der Feuerwehrmänner und zur wirksamen Hilfe für die Bürgerschaft notwendig, weil bei den Bränden in Wohnungen und gewerblichen Gebäuden gesundheitliche Brand- und Rauchgase entstehen. Weiterhin sind Kunststoffe als Baustoffe und Werkstoffe für Haushaltswaren weit verbreitet, so dass selbst bei Zimmerbränden fast immer mit Atemgiften zu rechnen ist. Die Stützpunktfeuerwehr und die Schwerpunktfeuerwehren sind alle mit Tanklöschfahrzeugen ausgestattet. Die übrigen örtlichen Feuerwehreinheiten verfügen ausnahmslos über Tragkraftspritzenfahrzeuge und sind für den Erstangriff bestens ausgerüstet. Die Fahrzeuge bei der Stützpunktfeuerwehr Wörrstadt führen auch Gerätschaften wie Beleuchtungsgerät, Notstromaggregate, Trennschleifer, Schneidbrenner für technische Hilfeleistungen etc. mit sich. Diese Ausstattung wird durch ein hydraulisch betätigtes Rettungsgerät ergänzt, das als Spreizer und Schneidegerät zu verwenden ist und im Jargon als "Rettungsschere" bezeichnet wird. Damit ist die Wehr in der Lage, Unfallopfer schneller aus ihrer Zwangslage zu befreien.
Durch den Rüstwagen (RW 1) für die Stützpunktfeuerwehr Wörrstadt sowie die Ausstattung der Schwerpunktfeuerwehr Saulheim mit einer Rettungsschere wird die umfangreiche technische Hilfeleistung erhöht. Im Katastrophenfall oder bei Massenkarambolagen können somit zur technischen Hilfeleistung weitere Wehren gleichzeitig eingesetzt werden.
Die Zeiten, als mit Glockengeläut und Feurio-Rufen alarmiert und die benachbarten Wehren mit Feuerreitern zur Unterstützung herbeigerufen wurden, sind lange vorbei. Sprechfunkgeräte als elektrische Nachrichtenübermittlung für die Alarmierung, die Einsatzleitung und die Arbeit an der Einsatzstelle gehören zur Standardausrüstung in der Verbandsgemeinde Wörrstadt. Der Funk ermöglicht seit 1979 erhebliche Verkürzungen der Alarmierung: Der Notruf 110/112 läuft bei der Polizei auf, die die Feuerwehr mit der Funksirenensteuerung oder mit Funkmeldeempfänger alarmiert. Die Feuerwehreinsatzzentrale in der Stützpunktfeuerwache Wörrstadt unterstützt den Einsatzleiter am Einsatzort, damit er seine Aufgaben besser erfüllen kann.
Wir haben Rückschau gehalten über mehr als 100 Jahre Brandschutzgeschichte in der Verbandsgemeinde Wörrstadt. Gerade aber in den letzten 20 Jahren erweiterte die wirtschaftliche und technische Entwicklung ständig das Aufgabengebiet der Feuerwehr, wodurch eine Anpassung in Ausrüstung und Ausbildung an die neuen Anforderungen unumgänglich war. Alle Feuerwehreinheiten in der Verbandsgemeinde Wörrstadt sind heute keine reinen Brandschutzeinheiten mehr, sondern Einheiten, die jederzeit schnell und wirkungsvoll bei allen Schadensereignissen und Gefahrenlagen eingesetzt werden können. Dies ist aber nur dadurch ermöglicht worden, weil die Verbandsgemeinde Wörrstadt diese Voraussetzungen in den vergangenen 20 Jahren geschaffen hat, was vorher nicht der Fall war. Die Feuerwehrangehörigen, die alle ihre Aufgaben freiwillig übernommen haben, sind eine Hilfsorganisation, um ihren Mitbürgern in allen Gefahrenlagen zu helfen.
Durchschnittlich werden die Feuerwehrangehörigen mit 100 Stunden im Jahr belastet, meist sind es jedoch noch mehr. Dafür gebührt allen Feuerwehrangehörigen besonderer Dank. Die Feuerwehr sollte von ihren Mitbürgern respektiert und nicht als billiger Dienstleistungsbetrieb angesehen werden, denn sie ist eine Hilfeleistungsorganisation von Bürgern für Bürger.
Durch Neubauten oder Umbauten wurden inzwischen alle Feuerwehren mit ausreichend dimensionierten und gut ausgestatteten Feuerwehrgerätehäusern versehen. Um die freiwilligen Feuerwehreinheiten auch einsatzfähig halten zu können, wurden alle Wehren mit entsprechenden Fahrzeugen und Geräten ausgestattet. Die Verbandsgemeinde ist auch weiterhin bestrebt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles dafür zu tun, dass die Feuerwehrangehörigen hinreichend für ihre Aufgaben ausgerüstet und ausgebildet sind. Somit schafft die Verbandsgemeinde alle Voraussetzungen dafür, dass den Bürgerinnen und Bürgern im Not- oder Katastrophenfalle wirksame Hilfe geleistet werden kann.
Quelle: Gerd Jung, ehemaliger Abteilungsleiter Schutz und Ordnung (Verbandsgemeinde Wörrstadt), in: "20 Jahre Verbandsgemeinde 1972 – 1992"